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Gesund-kommunizieren

Wenn der Arzt beim Patientengespräch schweigt

In letzter Zeit war ich bei verschiedenen Ärzten. Keine Bange, mir geht’s soweit gut – falls ich die Ärzte richtig verstanden habe. Vielleicht so viel zur allgemeinen Grunddiagnose meiner sämtlichen (Fach-)Ärztebesuche. Das Alter! Oder genauer – und hier zitiere ich gleich mehrere Ärzte: ‚Für Ihr Alter liegen die Untersuchungsergebnisse noch im Toleranzbereich.‘ Das ist doch schon mal was. Aber um zu dieser lakonischen Einsicht zu gelangen, hab’ ich was durchgemacht, nämlich Arzt-Patienten-Gespräche.

Laut verschiedener Studien führen Ärzte und Ärztinnen im Laufe ihres Berufs- und Praxislebens zwischen 160.000 und 300.000 Patientengespräche. Das entspricht den Einwohnerzahlen von Augsburg und Solingen. Bei so vielen Gesprächen kann natürlich auch mal eins schiefgehen, wie bei mir neulich. Aber der Reihe nach.

Mein Hausarzt macht das ganz gut. Egal mit welchem Wehwehchen ich zu ihm komme, plaudert er zunächst einmal ein paar Minuten recht unmedizinisch mit mir. Das beruhigt. Mich zumindest. Bei mir macht sich dann die – bisher stets berechtigte – Hoffnung breit: Wenn der Doktor mit dir über das Wetter, das letzte Spiel des VfL oder übers Dorffest redet, wird er nicht kurz darauf verkünden: „Ach übrigens, bevor ich’s vergesse, mit Ihnen geht’s zu Ende.“

Manchmal tischt mein Hausarzt mir nach dem gemütlichen Einstiegs-Plausch zwar auch unangenehme Wahrheiten auf, die nicht selten mit meiner Ernährungs- und Lebensweise sowie deren eigentlich notwendigen Veränderung zu tun haben. Aber nach einem gemütlichen Gesprächseinstieg auf Augenhöhe bin ich bereit, selbst über solch fundamental alltagsverändernde Themen offen mit ihm zu sprechen.

Mein Lieblings-Arzt-Patienten-Gespräch habe ich übrigens nicht selbst erlebt, sondern in einem James-Bond-Film gesehen: Da muss der alternde Spion zum medizinischen Jahres-Check-up und sein Geheimdienst-Doktor eröffnet Bond, dass dessen Fitness einiges zu wünschen übrig lässt. „Zu viele trockene Martinis, zu viel ungesundes Weißbrot und zu viele aufregende Frauenaffären“, lautet die Ursachenanalyse, worauf Bond ebenso spontan wie reumütig antwortet: „Okay Doc, ich werde meinen Lebenswandel ändern und lasse ab jetzt das Weißbrot weg.“

Auch wenn das sehr nach altem weißem Mann klingt: So ähnlich würde ich gerne auch einmal meine Jahresuntersuchung kommentieren, anstatt mit meinem Hausarzt die Liste der dringend angesagten Vorsorgeuntersuchungen durchgehen zu müssen.

Mir ist es ein Anliegen, an dieser Stelle zu betonen, dass ich – rein kommunikativ gesehen – durchaus auf recht unterhaltsame Besuche beim Gastroenterologen, Orthopäden und sogar beim Urologen zurückblicken darf.

Dass es auch anders geht, hat mir allerdings kürzlich ein Facharztbesuch gezeigt. Nur einer, zum Glück, die anderen Ärzte haben die Plauder-Einstiegsmethode gewählt. Ich gebe bewusst nicht preis, um welche Facharztpraxis es sich handelte, denn ich vermute stark, dass dieses Phänomen nicht fachgebietsspezifisch ist. Jedenfalls musste ich mir neulich einen medizinischen Befund abholen, was so ablief, dass der betreffende Arzt, ohne ein Wort zu sagen, seinen Blick minutenlang nicht von seinem Computerbildschirm abwandte – zumindest gefühlt minutenlang!

Mich macht das nervös, wenn ein Arzt, während er auf meine Testergebnisse starrt, mir zwischendurch keinen einzigen Moment in die Augen schaut. Und meine Nervosität erhöht sich sogar noch, wenn ich – an der Rückseite des Bildschirms vorbeischauend – mitansehen muss, wie der Arzt kaum merklich den Kopf schüttelt oder gar unverständlich etwas Ernstklingendes vor sich hin murmelt. In einer solchen Kommunikationssituation bedeutet Murmeln und Kopfschütteln für mich: „Sie sind schon so gut wie tot!“

In dem hier geschilderten Fall habe ich all meinen Mut zusammengenommen und mich zu fragen getraut: „So schlimm?“ Und welche Überraschung: Ein ernstes, aber freundliches Gesicht erscheint von hinterm Computerbildschirm, sieht mich einen Augenblick direkt an, und ich höre die Worte: „Was? Wieso? Nö, alles im Toleranzbereich, soweit, für Ihr Alter.“

Na, also, geht doch. 

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