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Altersvorsorgekunde

Erste Stunde Bio, zweite Reli, und in der dritten Rente und Steuer?

Bildungsministerin Starck-Watzinger drängt auf mehr Finanzthemen im Schulunterricht, die dort bislang zu kurz oder überhaupt nicht vorkommen. Als konkrete, wünschenswerte Schulfächer nennt sie: Steuererklärung und Altersvorsorge. Warum nicht? Das wäre mal was Praktisches, das Schülerinnen und Schüler doch interessieren müsste. Ich stelle mir vor, ich sei jetzt 15 (gar nicht so einfach, sich das vorzustellen), der Lehrer kommt ins Klassenzimmer und sagt: „Heute lernen wir, wie eure Altersteilzeit im Jahr 2077 funktioniert.“ Da muss doch die ganze Klasse intrinsisch hochmotiviert sein.

Was aber antwortet das hierfür wahrscheinlich wieder nur unzureichend geschulte Lehrpersonal, wenn aus der Schülergruppe die Frage kommt: „Kriegen wir denn überhaupt noch Rente?“ oder, wenn der Unterricht in Küstennähe stattfindet: „Ist für uns dann eine höhergelegene Rentenversicherungsanstalt einer deutschen Mittelgebirgsregion zuständig, falls der Klimawandel schneller durchschlägt als die Rentenkrise?“ Renten-Fachkenntnisse – bei zu erwartendem Renteneintritt gegen Ende des 21. Jahrhunderts – dienen nicht zwingend dem Zufriedenheitsgefühl von Zehntklässlern. Noch problematischer sehe ich das beim Schulfach „Steuerbescheidslehre“. Falls dieses Fach wahlweise angeboten würde, könnte der (gewollte?) Nebeneffekt eintreten, dass manche Schüler doch lieber Alt-Griechisch wählen. Das ist einfacher als deutsches Steuerrecht, und die griechische Grammatik erfordert weniger Vorbereitungszeit auf Klassenarbeiten als die Paukerei fürs Thema „Fülle die Formular-Anlage S aus, ohne dich dabei strafrechtlich angreifbar zu machen.“

Wer soll das Fach Steuererklärungslehre überhaupt unterrichten? Selbst Mathelehrer haben mit Steuererklärungen so ihre Probleme, was nicht zuletzt daher kommt, dass die auszufüllenden Formulare zwar auch mit Zahlen zu tun haben, aber recht wenig mit Logik. Die Antwort auf „Wer soll unterrichten?“ liegt auf der Hand: qualifizierte Quereinsteiger, also die Steuerberater, die nach Einführung dieses Schulfaches sowieso arbeitslos werden. Vielleicht macht es manchem Steuerexperten sogar Spaß, jungen Leuten beizubringen, wie man Abi-Prüfungs-und-damit-für-den-Arbeitsmarkt-Qualifizierungs-Werbekosten steuerlich geltend macht.

Aber was, wenn die Ampel-Regierung irgendwann schlapp macht und Merz tatsächlich Bundeskanzler wird? Löst der dann sein altes Versprechen ein und bringt die Steuererklärung, die auf einen Bierdeckel passt? Was machen wir dann mit all den Steuerberatern, die nicht einmal mehr als Steuerspar-Pädagogen verwendbar sind? Hat Starck-Watzinger das bedacht? Und ihr Parteikollege Lindner, der ebenfalls für Finanzunterricht in Schulen plädiert? Der ist doch Finanzminister, warum sorgt er nicht dafür, dass Steuererklärungen so einfach, gerecht und logisch werden, dass man dafür keinen Unterricht verschwenden muss, den man mindestens genauso gut für mehr Deutsch- oder Mathestunden verwenden könnte? Oder gar für das Fach: Berufs- und Studienorientierung? Denn muss man nicht erst einmal Geld verdienen, um Steuern bezahlen und fürs Alter vorsorgen zu können?

Vielleicht wissen das Bildungs- und Finanzministerium ja mehr als wir. Vielleicht, dass selbst mit Merz an einer Regierungsspitze die Steuererklärungs-Anlangen N, R, V und G unzerstörbar wären oder zumindest eine Halbwertszeit aufwiesen wie Plutonium? Immerhin wäre die Bereitstellung von Lehr- und Lernmaterialen kein Problem, denn das, so das Versprechen des Berliner Bildungsministeriums, würde allen Bundesländern einheitlich zur Verfügung gestellt werden. Vielleicht didaktisch-methodisch aufbereitet von der Deutschen Rentenversicherungskasse und der Steuerberatungsbüros-Vereinigung, mit vielen praktischen Beispielen, wie: Wir basteln uns eine Steuerabschreibungspauschalen-Schablone. Beim Lehrmaterial allerdings stoßen wir auf die wohl größte Schwierigkeit bei der Umsetzung der Finanz-Bildungs-Idee: Bundesweit? Bildung ist doch Ländersache. Was wenn zum Beispiel Rheinland-Pfalz das Fach einführt, nicht aber das Saarland? Heißt es dann: „Du gehst in der Pfalz zur Schule, da hast du AltersVoSo statt Bildende Kunst.“

Der Bund kann und will den Ländern keine Schulfächer-Vorgaben machen, sondern allenfalls Vorschläge. Und als solchen nehmen wir das mit der Renten- und Steuererklärungslehre einfach: als gut gemeinten Vorschlag.

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