Warum aus mir ganz sicher kein Meister Prepper mehr wird
Lebst du noch sorglos vor dich hin oder „preppst“ du schon? Bisher dachte ich immer: Wenn der Weltuntergang mal vor der Tür steht, improvisiere ich einfach. „Bist du wahnsinnig? Man muss doch aufs Schlimmste vorbereitet sein“, meint neulich ein Bekannter, der mir bislang recht vernünftig erschien. Er bekennt, einer der sogenannten Prepper zu sein. Preppen kommt vom Englischen be prepared und bedeutet: Sei vorbereitet! Mein Bekannter behauptet, er sei ein Meister des individuellen Vorbereitetseins.
„Vorbereitet auf was?“, hake ich nach. Die aus Prepper-Perspektive folgerichtige Antwort lautet: „Auf alles“. Auf alle möglichen Katastrophen. Einen atomaren GAU, wochenlangen Stromausfall, galoppierende Epidemien, vermehrten Verwandtschaftsbesuch – einfach alles, weswegen man sich für mindestens zwei Wochen in den eigenen Keller zurückziehen und dort autark durchhalten können sollte.
Ich gebe zu bedenken, dass ich nicht mal einen ordentlichen Keller habe, sondern lediglich einen Abstellraum im Souterrain, der allerdings mit lauter katastrophenüberlebensuntauglichem Zeug zugestellt ist. Man könne notfalls auch ohne bunkerartigen Keller überleben, tröstet mich mein Bekannter, solange man mit den richtigen Notfallpaketen ausgerüstet sei.
Mal sehen: Im Internet finde ich das Stromausfall-Paket Klassik für 299 Euro, inklusive Taschenlampe, Gaskocher, Feuchttüchern, Mülltüten, Dosenöffner, Batterie-Radio und mobiler Solar-Ladestation. Ich frage mich, wie mein Bekannter Solarstrom im Keller tanken will. Auch Wasseraufbereitungsanlagen und Stromgeneratoren kann man für den Notfall kaufen, dann braucht man natürlich das erheblich teurere Prepper-Fortgeschrittenen-Kit.
Und dann haste ja noch nix zu essen. Kein Problem. Schon ab 349 Euro gibt es das 30-Tage-Notvorrat-Basic-Paket – haltbar bis April 2033 – mit „ready-2-eat“-Mahlzeiten für mindestens 1.500 kcal pro Tag. Ein Notfallessen-Wochenmenü – die nichtvegetarische Version – sähe ungefähr so aus: Mo: Mexikanischer Feuertopf, Di: Pichelsteiner, Mi: Serbische Bohnensuppe, Do: Linseneintopf mit Pökelfleisch; Fr: Kartoffeltopf mit Sahne, Sa: Ungarische Gulaschsuppe, So: Ravioli in Tomatensoße. Alles aus der Dose. Hand aufs Herz: Lohnt es sich, dafür zu überleben?
Obwohl, wenn ich’s recht bedenke, gleicht das doch sehr dem Essensplan zu Zeiten in meiner ersten Studentenbude. Trotzdem, könnte nicht wenigstens luftgetrockneter Wildschinken mit auf dem Notfallplan stehen? Da fällt mir ein: kein Wildschinken mehr im Haus, sofort besorgen. Ich will mir bei Eintritt des Katastrophenfalls nicht vorwerfen müssen, das Futtern meiner Lieblings-Delikatessen versäumt zu haben.
Um eine versorgungstechnische Durststrecke zu überleben, füllt der Prepper auch die Wasservorräte großzügig auf. Bei „Durststrecke“ werde ich hellhörig. Selbst in den teuersten Notfallpaketen finde ich weder Flaschenbier noch Grauburgunder. Genau das aber würde ich nicht missen wollen, falls ich mich für eine Weile im Abstellraum verschanzen müsste. Kann es sein, dass der Prepper an sich tendenziell eher genussfeindlich daherkommt?
Und wie schlägt man zwei Wochen die Zeit tot, ohne Strom, also ohne TV-Serien? Bücher! Ich hätte ja noch Bücher. Etliche davon stehen sogar schon in besagtem Abstellraum, fertig gepackt in einer alten Bananenkiste, um zum öffentlichen Bücherschrank gebracht zu werden. Wer weiß, vielleicht würde ich während eines mehrwöchigen Untergeschossaufenthalts meine alten Simmel-, Karl-May- und Rosamunde-Pilcher-Ausgaben wieder ganz neu schätzen lernen.
Natürlich könnte ich die Zeit auch damit totschlagen, einen Tunnel zu meiner 250 Meter entfernten Stammkneipe zu graben – in der Hoffnung, dass die auf Katastrophen gut vorbereitet, also gepreppt, ist. Muss die Wirtin unbedingt mal darauf ansprechen.
Oder nein, vielleicht doch nicht. Je mehr ich mich mit dieser Prepper-Thematik beschäftige, umso bewusster wird mir: Ich bin nicht katastrophenvorbereitungstauglich, sondern eher der Et-kütt-wie-et-kütt-Typ. ‚Be prepared‘ schaffe ich allerhöchstens für die nächsten 24 Stunden. Ich sehe ein: Aus mir wird kein Meister Prepper mehr.
Typen wie mir bleibt als Handlungsoption nur, genauso viel Energie, wie mein Prepper-Bekannter fürs Überstehen einer Katastrophe aufwendet, zu investieren, um Katastrophen zu verhindern, zumindest die noch vermeidbaren.